Abschnittsübersicht

  • Offene Fragen können in der Lehre für verschiedene Zwecke eingesetzt werden, von Verständnisfragen in der Lehrveranstaltung über Hausübungen und (Self-) Assessments bis zur Prüfung am Ende. Die TN sind dabei gefordert, ihre Aussagen zu begründen, Positionen zu argumentieren oder kreative Lösungsansätze zu finden. Die Fragen eignen sich dementsprechend gut für die Eröffnung von Diskussionen oder Beantwortung in (längerer) Textform.

    Aufgrund der Offenheit der Fragen ist häufig mehr als eine richtige Antwort möglich oder die richtige Antwort kann zumindest auf verschiedene Weisen in eigenen Worten dargestellt und begründet werden. In Texten können die TN ihre Lösungen sogar völlig frei formulieren. Das kann jedoch zu erheblichem Korrekturaufwand führen und die faire und gleiche Beurteilung schwierig gestalten. Deshalb benötigen offene Fragen in der Vorbereitung einerseits eine eindeutige Formulierung und andererseits eine Musterlösung bzw. ein Korrekturschema, das den Vergleich der TN-Leistungen mit der erwarteten Leistung ermöglicht.

    Bei der Formulierung empfiehlt es sich, die Lernzielebenen in den Blick zu nehmen. Mit offenen Fragen kann die LP einfach verschiedene Lernzielebenen prüfen, indem sie bestimmte Fragewörter und/oder Operatoren (Handlungsverben) verwendet. Lautet die Fragestellung „Bennen Sie 5 Faktoren…“, müssen die TN ihr Wissen bloß wiedergeben. Wird stattdessen gefragt „Vergleichen Sie Theorie X mit Theorie Y“, müssen die TN ihr Wissen auch anwenden. In der folgenden Tabelle [4] finden sich einige Beispielverben für verschiedene Lernzielebenen.

    Erinnern/Verstehen aufzählen, wiedergeben, darstellen, beschreiben, benennen, definieren, zusammenfassen
    Anwenden anwenden, anordnen, organisieren, erläutern, vergleichen
    Analysieren ermitteln, beobachten, unterscheiden, klassifizieren, interpretieren, analysieren
    Bewerten bewerten, beurteilen, überprüfen, einstufen, entscheiden, hinterfragen, folgern, einschätzen
    Kreieren kombinieren, konstruieren, herstellen, entwickeln, ableiten, erstellen, berechnen
    Tabelle 1: Beispielverben vgl. Döring, Sandra (2010). Formulierung von Lernzielen. SECo – Sächsisches E-Competence Zertifikat. CC BY SA Sandra Döring.

    Um trotz der Offenheit der Frage vergleichbare Antworten zu bekommen, lohnt es sich, Rahmenbedingungen vorzugeben, beispielsweise den Umfang (z.B. 200 Zeichen, 50 Wörter), die formale Gestaltung (z.B. Zitierweise), Abgabeform (Dateiformat), Bewertung (Punkteschlüssel) oder die Art der Formulierung (z.B. Stichwörter, ganze Sätze, Aufzählung). Details zu den Rahmenbedingungen bietet der UC „Arbeitsaufträge formulieren“. Vor allem für Einschränkungen hinsichtlich der Länge eignen sich Online-Tools ausgezeichnet, da sie die Beschränkung der Länge der Antworten erlauben.

    Je nach gewünschter Komplexität, Länge und Form lassen sich für die Fragestellung verschiedene Aufgabentypen ableiten.

    Kurzantworten

    Wie der Name schon sagt, werden bei Kurzantwort-Aufgaben wenige Wörter bis wenige Sätze verlangt. Online erkennt man derartige Fragen daran, dass nur ein kleines Textfeld für die Antwort angeboten wird. Diese Fragen eignen sich gut für die Überprüfung von Begriffen und Definitionen bzw. für Anwendung von gelernten Informationen. Auch Berechnungen können über Kurzantworten abgefragt werden. [5]

    Bei der Prüfung von Definitionen ist der Fachbegriff optimalerweise in der Fragestellung vorgegeben, während die Definition von den TN als Antwort formuliert werden muss. Damit die TN dennoch in eigenen Worten antworten müssen, empfiehlt es sich, den Wortlaut der Fragestellung, wenn möglich, nicht 1:1 aus den Lehrveranstaltungsunterlagen zu entnehmen.

    Lückentexte

    Lückentexte sind eine Form von Kurzantworten. Dabei fehlen in einem Text einzelne Begriffe (vorrangig Fachausdrücke und Schlüsselwörter), die die TN aus dem Kontext erschließen und ergänzen müssen. Im Gegensatz zu den obigen Kurzantworten ist hier also eine Definition/ein Sachverhalt vorgegeben und ein einzelner Begriff zu ergänzen. Dafür ist es wichtig, den Text so zu formulieren, dass nur eine Antwort sinnvoll ist. Dies erleichtert die Korrektur für die Prüfer*innen. Sind im Lückentext Antwortmöglichkeiten vorgegeben, handelt es sich nicht mehr um eine offene, sondern um eine geschlossene Frage (z.B. Drag & Drop).

    Essays und andere Texte

    Für die Darstellung von komplexen Zusammenhängen und Argumentationssträngen sowie Interpretationen von Daten genügt eine Kurzantwort nicht. Hierfür kann man die Aufgabe stellen, ein Essay oder einen argumentativen Text zu verfassen bzw. eine Fallstudie zu bearbeiten. Bei letzterem bearbeiten die Studierenden verschiedene Fragen/Aufgaben zu einem realitätsnahen Beispiel/Fall. Auch wenn die LP eine genaue Aufgabenstellung formuliert, ist dieser Fragentyp der freieste unter den offenen Fragen. Aus der Antwort geht dementsprechend nicht nur hervor, was der*die TN weiß, sondern auch, wie der Lösungsweg logisch/argumentativ aufgebaut wurde.

    Open-Book-Prüfungen

    Open-Book-Prüfungsformate, wo TN ihre Unterlagen (und ggf. andere Hilfsmittel) verwenden dürfen, sind vor allem in Online-Settings beliebt, aber werden in Präsenz-Settings ebenfalls verwendet. Bei Open-Book-Prüfungen ist es besonders wichtig, mit den Fragen höhere Lernzielebenen anzusprechen. Wird bloß die Wiedergabe abgefragt (aufzählen, benennen), können die TN die Antworten einfacher aus ihren Unterlagen entnehmen. Deshalb sollten die Fragen, wenn möglich, zumindest auf die Anwendungs- und Analyseebene gehoben werden, um die eigene Denkleistung der TN zu fordern. Aus diesem Grund eignen sich für Open-Book-Prüfungen die oben genannten längeren Texte mit komplexen Arbeitsaufträgen gut. Eine Variante der Open-Book-Prüfung ist das Take-Home-Exam, bei dem Aufgaben über einen längeren Zeitraum hinweg, üblicherweise mehrere Tage, bearbeitet werden dürfen. Dieses eignet sich beispielsweise gut für Fallstudien oder längere Projektarbeitsaufträge.