Einsatzmöglichkeiten / Methoden
Abschnittsübersicht
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Eine Open-Book-Prüfung zeichnet sich dadurch aus, dass Unterlagen (z.B. Mitschriften, Zusammenfassungen) zum Lösen der Prüfungsaufgaben verwendet werden dürfen („open“ book).[1] Open-Book-Prüfungen unterscheiden sich deshalb in ihrer Konzeption grundlegend von „herkömmlichen“ Prüfungen, da trotz des offenen Charakters eine eigenständige Leistung von den TN zu erbringen ist.[2]
Formate
Prüfungsaufgaben, die auf eine bloße Reproduktion von Wissen abzielen oder über eine schnelle Internetrecherche gelöst werden können, sind für dieses Prüfungsformat nicht geeignet. Stattdessen wird die Prüfung so konzipiert, dass Transfer- und Syntheseleistungen erforderlich sind, zum Beispiel durch einen Vergleich mehrerer Theorien oder die Frage nach Gegenargumenten. Geeignete Aufgabenformate für Open-Book-Prüfungen sind neben klassischen offenen Fragen und Essays auch Fallbeispiele, Rechenbeispiele, Textanalysen, Rezensionen, Creative-Response-Aufgaben (Beantwortung bspw. als Diagramm oder Mind-Map), oder Lernportfolios.[3]
Die Open-Book-Prüfung kann im Hörsaal handschriftlich, im Computerraum digital, oder von zuhause aus über eine Online-Prüfungssoftware oder ein Lernmanagementsystem für digitale Abgaben durchgeführt werden. Bei letzterer Variante müssen aufgrund der unterschiedlichen Aufenthaltsorte von LP und TN einige Punkte beachtet werden, die für eine Vor-Ort-Prüfung nicht im selben Maße relevant sind, wie die Formulierung der Fragen, die technischen Voraussetzungen und die Eigenständigkeit der TN.Fragenformulierung
Für den gelungenen Einsatz des Open-Book-Formats im Online-Setting ist eine möglichst präzise, eindeutige Formulierung der Prüfungsfragen wichtig, da das Setting das Nachfragen und die Klärung von Unklarheiten erschwert. Die Open-Book-Fragen sollten keine klaren Ja-/Nein-Antwort haben, sondern die Einbindung umfangreicher Lehrveranstaltungsinhalte und eigener Denkleistung erfordern. Somit eignen sich offene Fragen, die höhere Lernzielebenen (analysieren, evaluieren) abfragen, am besten. Unterschiedliche Typen von offenen Fragen können unterschiedliche Kompetenzen abfragen, beispielsweise[4]:
- Klärungsfragen wie „Was ist Ihrer Meinung nach das Hauptproblem?“
- Annahmefragen wie „Welche Vermutung/Annahme stellt XY hier an? Warum?“
- Grund- und Beweisfragen wie „Können Sie den Grund dafür erklären? Gibt es einen Grund, an den Belegen zu zweifeln? Was kann ein anderes Beispiel sein?“
- Herkunfts- und Quellfragen wie „Wurde Ihre Meinung von jemandem beeinflusst? Woher kommt Ihre Ansicht?“
- Implikationen und Konsequenzfragen wie „Welchen Effekt würde das haben? Was wäre die Alternative?“
- Standpunktfragen wie „Wie würden andere Gruppen auf diese Fragen antworten? Was würde jemand, der*die XY glaubt, denken?“
Vorbereitung
Um die TN für die Online-Prüfung zu rüsten, ist es wichtig, sie frühzeitig darüber zu informieren, was dieses Prüfungsformat auszeichnet, wie die Prüfung ablaufen wird (Zeitpunkt, Dauer und „Ort“, technische Voraussetzungen, Anzahl und Art der Prüfungsaufgaben, Bewertungsschema, etc.) und wie die TN sich darauf vorbereiten können. Es sollte vermieden werden, dass die TN den Schwierigkeitsgrad unterschätzen und sich darauf verlassen, durch reines Nachschlagen in ihren Unterlagen bzw. eine Internetrecherche bestehen zu können. Gemeinsam besprochene Beispielfragen und Musterlösungen können dem vorbeugen.[5] Im besten Fall wird das Prüfungsformat vom Beginn der Lehrveranstaltung an mitbedacht und auf die gewünschten Lernziele ausgerichtet, damit die TN in der Prüfung nicht mit Überraschungen konfrontiert werden und die LP genau die Kompetenzen abprüft, deren Erreichung gewünscht ist.
Varianten
Eine längere Variante der Open-Book-Prüfung ist das Take-Home-Exam. Dabei ist zum Beispiel ein Projektauftrag oder ein Fallbeispiel zu lösen. Wie der Name sagt, ist diese Art der Prüfung jedenfalls von zuhause aus zu absolvieren. Der Zeitrahmen für die Lösung der Aufgaben beträgt dabei mehrere Stunden, Tage oder sogar Wochen. Diese Zeit können sich die TN entweder völlig frei einteilen oder die TN können innerhalb eines vorgegebenen Zeitfensters entscheiden, wann sie die Prüfung absolvieren (beispielsweise eine 2-stündige Online-Prüfung, die jederzeit in einem 48-stündigen Zeitfenster absolviert werden kann). Dabei können die TN sich die Bearbeitung der Aufgaben flexibel einteilen und auch technische Probleme spielen eine weniger gravierende Rolle, da das Abgabefenster lang genug ist. Je größer die angegebenen Zeitfenster sind, desto eher können die TN aber zusammenarbeiten, weshalb die Aufgabenstellungen am besten entweder sehr individuell sind (beispielsweise Lösung als Video) oder sogar als Teamarbeit vorgesehen sein können.
Ebenso ist es möglich, kreativere Prüfungsformate für die Open-Book-Prüfung einzusetzen. Dazu gehören zum Beispiel die oben genannten Antworten in Grafiken oder Mind-Maps, aber auch Pro- und Contradebatten oder andere Onlinediskussionen.[5]