Abschnittsübersicht

  • In der UNESCO-Empfehlung zu Open Educational Resources werden die folgenden Punkte zur Begriffsbestimmung festgehalten:[5]

    1. Open Educational Resources (OER) sind Lern-, Lehr- und Forschungsmaterialien, in jedem Format und Medium, die gemeinfrei sind oder urheberrechtlich geschützt und unter einer offenen Lizenz veröffentlicht sind, wodurch kostenloser Zugang, Weiterverwendung, Nutzung zu beliebigen Zwecken, Bearbeitung und Weiterverbreitung durch Andere erlaubt wird.

    2. Eine offene Lizenz respektiert die geistigen Eigentumsrechte des Inhabers der Urheberrechte und gewährt der Öffentlichkeit das Recht auf Zugang, Weiterverwendung, Nutzung zu beliebigen Zwecken, Bearbeitung und Weiterverbreitung von Bildungsmaterialien.

    Damit unterscheiden sich OER grundlegend vom im österreichischen Urheberrecht geltenden Grundsatz „Alles, was nicht explizit erlaubt ist, ist verboten“.[6] Laut Urheberrecht muss für jegliche Nutzung das Einverständnis der Urheber*innen eingeholt werden. Einige wenige Ausnahmen, wie die Vervielfältigung für den privaten Gebraucht oder das Zitatrecht (im Rahmen der freien Werknutzung) erlauben die teilweise Verwendung unter bestimmten Bedingungen. Auch in der Lehre dürfen Werke (aber keine speziellen Lehrwerke!) unter Umständen einem abgegrenzten Kreis an Teilnehmer*innen (TN) zur Verfügung gestellt werden, wenn ein direkter Bezug zum Lehrinhalt gegeben ist. Da die Gegebenheit dieser Bedingungen von Jurist*innen unterschiedlich eingeschätzt wird, ist die Verwendung von urheberrechtlich geschützten Werken immer mit einem Risiko verbunden und kann hohe Strafen nach sich ziehen. Deshalb empfiehlt sich, wenn möglich, die Verwendung von Open Educational Resources (OER), also freien Bildungsressourcen. Wenn diese unter Creative Commons lizensiert sind, lautet ihr Grundsatz nämlich genau umgekehrt: „Es ist alles erlaubt, was nicht explizit verboten ist“.[7]

    Kriterien

    „Echte“ OER bieten den Nutzer*innen laut der Charakterisierung von Wiley (2014, übersetzt von Muuß-Merholz 2015) folgende Freiheiten[8]:

    • Verwahren und Vervielfältigen (Retain): das Recht, Kopien zu erstellen und zu besitzen
    • Verwenden (Reuse): das Recht, Inhalte weiterzuverwenden (z.B. in einer Lehrveranstaltung oder auf einer Website)
    • Verarbeiten (Revise): das Recht, Inhalte anzupassen und zu bearbeiten
    • Vermischen (Remix): das Recht, Inhalte miteinander zu kombinieren, um etwas Neues zu schaffen
    • Verbreiten (Redistribute): das Recht, Kopien des Originalinhalts bzw. der eigenen Bearbeitungen mit anderen zu teilen.

    Sind diese fünf Charakteristika gegeben, erlauben die OER die größtmögliche Freiheit in der Nutzung. Somit eignen sie sich dazu, mit anderen OER kombiniert und an die Bedürfnisse der Lehre angepasst zu werden. Die entstandenen Ressourcen können dann problemlos online zur Verfügung gestellt und von den TN weitergenutzt werden.

    Allerdings erlauben nicht alle OER die vollständig freie Nutzung. Manche schränken bspw. die Rechte zur Bearbeitung und Weiterverarbeitung ein, andere jene zur kommerziellen Nutzung. Die Art der Nutzung von OER wird durch das Creative-Commons-Lizenzsystem geregelt.

    CC-Lizenzen

    Creative-Commons-Lizenzen (abgekürzt mit CC) sind die am häufigsten verwendeten Lizenzen für die freie Nutzung von Werken. Sie werden von der gemeinnützigen Organisation Creative Commons gemeinsam mit nationalen und internationalen Lizenzbedingungen zur Verfügung gestellt. Bei der Recherche nach Lizenzen ist es wichtig, zwischen den Kurzfassungen für Laien, die die Grundzüge der internationalen Fassungen erklären, und den Langfassungen für Jurist*innen, die bspw. in Österreich an das nationale Urheberrecht angepasst sind, zu unterscheiden. Letztere bilden die Rechtsgrundlage für die Verwendung und sollten deshalb vor allem bei der erstmaligen Verwendung einer Lizenz oder im Zweifel konsultiert werden.

    Die folgenden CC-Lizenzen stehen zur Verfügung:

    CC BY

    Diese Lizenz erlaubt jegliche Verwendungszwecke (Verbreitung in verschiedenen Medien zu verschiedenen Zwecken, Bearbeitung, Remix, kommerzielle Nutzung, Verwendung einer neuen Lizenz für Bearbeitungen). Sie erfordert die Namensnennung der Urheber*innen (BY).

    Lizenz Namensnennung 3.0 Österreich (CC BY 3.0 AT)


    CC BY-SA

    Diese Lizenz erlaubt ebenso die freie Verwendung, Verbreitung, Bearbeitung und Vermischung der Ressource, allerdings unter zwei Bedingungen: Neben der Namens-nennung (BY) muss das Material mit derselben Lizenz versehen werden (SA – share alike). Dadurch wird sicher-gestellt, dass die Inhalte weiterhin frei zugänglich bleiben und nicht unter restriktivere Lizenzen gestellt werden.

    Lizenz Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Österreich (CC BY-SA 3.0 AT)


    CC BY-NC

    Diese Lizenz erlaubt die freie Verwendung zur Verbreitung, Bearbeitung oder Vermischung, solange die Urheber*innen namentlich genannt werden (BY), allerdings sind kommerzielle Zwecke ausgeschlossen (NC – non-commercial).

    Lizenz Namensnennung – Nicht kommerziell 3.0 Österreich (CC BY-NC 3.0 AT)


    CC BY-NC-SA

    Diese Lizenz erlaubt wie die obige Verbreitung, Bearbeitung und Vermischung zu nicht-kommerziellen Zwecken. Neben der Namensnennung gilt hier ebenfalls wieder das Prinzip share-alike, das neue Produkt muss also mit derselben Lizenz versehen werden.

    Lizenz Namensnennung – Nicht-kommerziell – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Österreich (CC BY-NC-SA 3.0 AT)


    CC BY-ND

    Diese Lizenz erlaubt die Verwendung und Verbreitung der Ressource in verschiedenen Medien zu verschiedenen Zwecken, allerdings ist keine Bearbeitung erlaubt (ND – no derivates). Die Namensnennung ist ebenfalls erforderlich.

    Lizenz Namensnennung – Keine Bearbeitung 3.0 Österreich (CC BY-ND 3.0 AT)


    CC-BY-NC-ND

    Diese Lizenz ist die engste der Creative Commons. Sie erlaubt die Verbreitung der Ressource in verschiedenen Medien und unter der Bedingung der Namensnennung (BY), verbietet aber die kommerzielle Nutzung (NC) und die Bearbeitung (ND).

    Lizenz Namensnennung – Nicht-kommerziell – Keine Bearbeitung 3.0 Österreich (CC BY-NC-ND 3.0 AT)


    Public Domain und CC 0 (CC Zero)

    Der Hinweis auf Public Domain zeigt an, dass Material gemeinfrei ist. Das kann durch Ablauf des urheberrechtlichen Schutzes (z.B. Verjährung) oder durch freiwilligen Verzicht ermöglicht werden. Beide Aspekte sind stark von der nationalen Gesetzgebung abhängig, in Österreich ist der vollständige Verzicht auf Urheber*innenschaft beispielsweise nicht möglich. Die Verwendung von CC Zero ist allerdings trotzdem empfehlenswert, um anzuzeigen, dass alle Verwendungsmöglichkeiten erlaubt sind (siehe CC BY), und zwar ohne die Auflage der Namensnennung.

    Lizenzen: Creative Commons Attribution 4.0 International license by Creative Commons.

    Verwendung von CC-lizensierten Materialien

    Die simpelste Verwendung einer freien Bildungsressource mit CC-Lizenz ist die Weiterverbreitung in bestehender Form. Da die Ressource selbst die CC-Lizenz enthält, müssen Sie hier nur die jeweiligen Lizenzbedingungen beachten. Beim Einbezug von CC-lizensierten Materialien in eigene Werke, sehr häufig sind das Bilder, ist die Quellenangabe erforderlich. Neben den Angaben zur Ressource und Ersteller*in, wie beim Zitieren, ist hier ebenso die Angabe der CC-Lizenz notwendig. Creative Commons selbst empfiehlt lediglich die Lizenzangabe „in angemessener Form“. Muuß-Merholz und Borski nehmen mit ihrer TULLU-Regel eine Präzisierung dieser Angaben vor: [9]

    T

    U

    L

    L

    U

    Titel:

    Urheber*in:

    Lizenz:

    Link zur Lizenz:

    Ursprungsort:

    Wie ist das Material benannt?

    Wer hat das Material erstellt?

    Unter welcher CC-Lizenz steht es? (inkl. Version)

    Wo ist der Lizenztext zu finden?

    Wo ist das Material zu finden?

    Wenn Sie sich an diese Regel halten, sollten sämtliche Lizenzbedingungen erfüllt sein: Abhängig davon, ob Sie die OER online oder offline verwenden, können Link und Ursprungsort entweder direkt verlinkt werden oder die URL wird als Text eingefügt. Für das folgende Bild sehen die Lizenzangaben beispielsweise folgendermaßen aus:

    Beispiel online: Koala, Tanner Ford, CC-BY 2.0, Flickr

    Beispiel offline: Koala, Tanner Ford, https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/, https://www.flickr.com/photos/moon-dog/2476981414/

    Die meisten CC-lizensierten Materialien können aber nicht nur frei verwendet, sondern auch bearbeitet werden (außer die Lizenz trägt „ND“ im Namen). Dabei ist zu beachten, dass beispielsweise bei Bildern bereits die Verwendung eines Ausschnitts oder die Änderung der Farben als Bearbeitung gilt. Ab Lizenzversion 3.0 muss die Information, von wem das Werk bearbeitet wurde, Teil der Lizenzangabe sein („bearbeitet von…“).

    Erstellung eigener OER

    Wenn Sie OER selbst erstellen und dabei die Rolle der*des Lizenzgeber*in (der eigenen Ressource) und die Rolle der*des Lizenznehmer*in (des Quellenmaterials) einnehmen, müssen Sie sich zu Beginn folgende Frage stellen: Kommt es bei der Erstellung Ihrer OER-Materialien zu einer Komposition/Sammlung eigenen Materials mit Drittmaterial oder zu einer Werkverbindung/Vermischung mit Drittmaterialien?[10]

    Im Rahmen einer Komposition/Sammlung bleibt das übernommene Werk unverändert und die unterschiedlichen Werke bleiben voneinander trennbar beispielsweise, wenn ein Foto in einem Text eingebettet wird.[11]

    In diesem Fall sind folgende Schritte für die OER-Lizenzierung einzuhalten:

    • Das erstellte Material wird unter die selbstausgewählte Lizenz gestellt.
    • Das übernommene Drittmaterial wird unter der von der*dem Urheber*in gewählten Lizenz weitergeführt.
    • Somit stehen beide Materialien unter getrennten Lizenzen.[12]

    Als Anwendungsbeispiel könnte ein Text in einem Leitfaden, geschrieben von Anna Musterfrau, unter der Lizenz CC BY-SA 3.0 lizensiert werden. Ein im Leitfaden verwendetes Bild (z.B. Abbildung 1 „Der Weg zum wissenschaftlichen Text“ lizenziert unter CC-BY Max Muster) würde innerhalb des Leitfadens die CC-BY-Lizenz behalten, die Werke können nebeneinanderstehen, da die Abgrenzung klar ist.[13]

    Bei einer Werkverbindung/Vermischung verschmelzen Drittmaterial und ggf. auch eigene Materialien zu etwas Neuem. Die unterschiedlichen Werke können nicht mehr voneinander getrennt werden.[14]

    In diesem Fall muss die Kompatibilität der Lizenzen der verwendeten Ressourcen überprüft werden, um zu entscheiden, welche Lizenz für das eigene Werk vergeben werden kann. Als Grundregel gilt, dass man immer zumindest die restriktivste Lizenz des Quellenmaterials verwenden muss. Restriktivere Lizenzen können vergeben werden, wenn keine SA-Lizenz (share alike) verwendet wird. Da SA-Lizenzen immer Weiterverwendung unter gleichen Bedingungen vorsehen, kann beispielsweise keine CC BY-SA-Ressource mit CC BY-NC kombiniert werden. Außerdem macht restriktive Lizensierung die Verwendung für Nachnutzer*innen immer schwieriger, weshalb es sich empfiehlt, eigene Ressourcen möglichst offen zu lizensieren.[15] Eine Grafik verdeutlicht, welche Lizenzen kombiniert werden können (siehe folgende Seite).
    Sie zeigt unter anderem:

    • Keine Kompatibilitätsprobleme stellt die Lizenz „CC BY – Namensnennung“ dar.
    • CC BY-SA dürfen für Werkverbindungen/Vermischungen nicht verwendet werden.
    • Mit der Lizenz CC BY-SA geht die Vorgabe einher, dass neue Werke nur mit der gleichen Lizenz versehen werden dürfen.
    • Die Lizenzen CC BY-SA und CC BY-NC sind nicht miteinander kompatibel. [16]
    • ND-Lizenzen dürfen mit nichts kombiniert werden, da sie nicht verändert werden dürfen.

     

    Vectorized CC License Compatibility Chart compact, The Sanest Mad Hatter, CC0, Wikimedia Commons

    Sowohl im Fall der Komposition/Sammlung, als auch bei der Werkverbindung/Vermischung gilt, dass urheberrechtlich geschützte Inhalte nur durch entsprechende Kennzeichnung durch Quellenangaben (Zitatrecht) verwendet werden dürfen.
    Wenn Sie in Ihren OER auf keine lizensierten Materialien zurückgreifen, sondern sie vollständig selbst erstellen, hängt die Lizenzwahl ausschließlich von Ihrer persönlichen Präferenz ab. Jedenfalls sollte die neueste Lizenzversion (aktuell 4.0 für international, 3.0 für Österreich) verwendet werden. Außerdem ist es notwendig, zu überprüfen, ob Sie alle Angaben gemacht haben, die Nutzer*innen für eine Lizenzangabe nach der TULLU-Regel benötigen.

    Zusammenfassend sind für die Lizensierung einer freien Bildungsressource drei Schritte zu beachten (siehe Choose a License auf creativecommons.org):

    • Die Kompatibilität der Lizenz mit der Kompatibilität der einzelnen Bestandteile überprüfen.
    • Die TULLU-Regel beachten.
    • Die freie Bildungsressource möglichst vielen anderen zugänglich machen.